Henning Borggräfe im Stadtanzeiger vom
5. Oktober 2024
Ende letzter Woche war ich in Weimar, um als Delegierter der NS-Gedenkstätten in NRW an der jährlichen Gedenkstättenkonferenz teilzunehmen. Auf Einladung Jens-Christian Wagners und der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, ging es dort um den „Kulturkampf von Rechts: Gefahren und Gegenstrategien.“
Während sich zeitgleich wenige Kilometer entfernt in Erfurt bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags die Auswirkungen des AfD-Wahlerfolgs auf das Funktionieren des Parlaments abzeichneten, zeigten Berichte und Lageeinschätzungen von Kolleginnen und Kollegen aus Thüringen, aber auch aus Sachsen, wie sehr die politische Stimmung gekippt, wie sehr die demokratische Zivilgesellschaft und mit ihr die Erinnerungskultur bedroht ist. Neben der Kernaufgabe der Vermittlung eines kritischen Geschichtsbewusstseins wird es für die NS-Gedenkstätten so fast zwangsläufig zu einer weiteren Aufgabe, sich vor Ort auch politisch einzumischen.
Die Gedenkstättenkonferenz ist eines von jährlich zwei großen Treffen für Vertreter*innen der etwa 300 Gedenkstätten, Dokumentationszentren und Erinnerungsorte zur Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland. Das zweite, das bundesweite Gedenkstättenseminar, welches einen Fokus auf die Bildungsarbeit legt, fand bereits im Juni in Berlin statt. Es stand ganz unter dem Eindruck der anderen politischen Herausforderung für unsere Orte in dieser Zeit: der starken Zunahme des Antisemitismus in Deutschland infolge des mörderischen Terrorangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023.
Neben den unsäglichen Anfeindungen und Übergriffen gegenüber Jüdinnen und Juden geht sie mit einer Vielzahl antisemitischer Attacken auf die Erinnerungskultur einher. Vielerorts wurden im letzten Jahr Sachbeschädigungen, Schmierereien und Beleidigungen verzeichnet. Auch ein Jahr danach sind die Gedenkstätten, gerade in NRW, intensiv damit beschäftigt, antisemitischen Äußerungen und besonders dem teils ungehemmten Hass auf Israel in der Bildungsarbeit zu begegnen, zu informieren und aufzuklären.
Mindestens ebenso wichtig ist die Solidarität mit den jüdischen Gemeinden und den hier lebenden Jüdinnen und Juden. Eine Aufgabe der Fachstelle gegen Antisemitismus im NS-Dok ist es, Betroffene zu unterstützen. Zum Jahrestag des Terrorangriffs auf Israel veröffentlichen wir eine neue Broschüre, die jüdischen Eltern dabei helfen soll, mit ihren Kindern über Antisemitismus zu sprechen. Es ist ein trauriges Zeugnis für den Zustand dieser Gesellschaft, dass wir dieses Werk überhaupt herausgeben müssen.
Der Umgang mit der Gefahr des Antisemitismus darf kein Thema sein, dass wir jüdischen Eltern und ihren Kindern überlassen. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Aufgabe, die alle angeht. Judenhass darf keinen Platz in dieser Gesellschaft haben. Wir müssen alles dafür tun, unsere Kinder in einem Umfeld des Respekts, der Sicherheit und der Offenheit großzuziehen.